Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen hat den Green Deal vorgelegt – und der betrifft keineswegs nur die Landwirtschaft, sondern alle Bereiche unseres täglichen Lebens. Was aber ist dieser Green Deal überhaupt? Dabei handelt es sich um ein politisches Regierungsprogramm mit dem ambitionierten Ziel, die Europäische Union bis 2050 klimaneutral zu machen, und den CO2-Ausstoß bis 2030 um 55 Prozent zu verringern. Damit orientiert sich die Kommission an den Nachhaltigkeitsvorgaben der Vereinten Nationen, die darauf abzielen, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken und damit unseren Planeten auch für unsere Kinder und Kindeskinder bewohnbar und lebenswert zu erhalten.
Die große Herausforderung ist es nun, diese Ziele zu erreichen, ohne die Rückkehr in die Steinzeit auszurufen. Wie können wir unsere Arbeit, unsere Wirtschaft und unser Leben so gestalten, dass die Klimakatastrophe abgewendet, und gleichzeitig die Lebensqualität für die Menschen nicht schlechter, sondern im Gegenteil sogar besser wird? Das ist der Anspruch des Europäischen Green Deal.
Die natürliche Reaktion auf die vor uns liegenden Herausforderungen ist ein von Herzen kommendes Aufstöhnen, in dem alle mit der Zukunft verbundenen Sorgen mitklingen. Wie sollen wir diese Transformation schaffen, wie sollen wir unseren Lebensstandard halten, wie sollen wir wirtschaftlich überleben?
Weckruf des IPCC. Der letzte Weckruf des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) – kurz Weltklimarats, müsste uns aber endgültig aufwachen lassen: Die Gletscher und Polkappen schmelzen schneller als erwartet, der Amazonas verliert zusehends seine Fähigkeit, das Klima zu stabilisieren, und der Golfstrom, der den Norden Europas vor der grimmigen Kälte schützt, droht in wenigen Jahren zum Stillstand zu kommen. Lippenbekenntnisse mögen sich auf Wahlplakaten gut machen – darüber hinaus bringen sie nichts. Es ist jetzt allerhöchste Eisenbahn, endlich entschlossen ins Tun zu kommen.
Schauen wir uns die Geschichte einmal vom Ziel aus an. Reisen wir gedanklich ins Jahr 2050 und stellen wir uns vor, wir haben die Zielsetzungen, die am Ausgang des Green Deals standen, erreicht. Der globale Temperaturanstieg hat die 1,5 Grad Grenze nicht überschritten. Wetterkapriolen und Unwetterkatastrophen haben nicht noch mehr zugenommen. Unser gesamtes Wirtschaftssystem hat die Transformation hin zur Verwendung erneuerbarer Energiequellen und insgesamt nachhaltiger Kreislaufwirtschaft überstanden.
Aber geben wir uns keinen Illusionen hin: Ein Zurück zu dem, was wir kannten, wird es in unserem Leben nicht mehr geben. An vieles werden wir uns gewöhnen, mit vielem werden wir uns arrangieren müssen. Doch seien wir ehrlich: Jede Zeit hat ihre Herausforderungen zu meistern, und die Menschen sind sehr anpassungs- und wandlungsfähig. Das ist der berühmte rote Faden, der sich seit Beginn der Menschheit durch unsere Historie zieht – unsere Fähigkeiten, uns an neue Gegebenheiten anzupassen und das Beste daraus zu machen.
Natürlich ist die Landwirtschaft massiv vom Green Deal betroffen – aber das ist sie von den zerstörerischen Auswirkungen des Klimawandels auch. Wie in meinem letzten Blog bereits erwähnt (hier nachzulesen), haben die Landwirte auf der ganzen Welt ihre Werkstatt unter freiem Himmel und sind als erste von den Auswirkungen der Klimaextreme unmittelbar in ihrer Existenz betroffen.
Auch wenn es in der aktuellen Diskussion manchmal so aussieht, kann und darf die Landwirtschaft nicht als default Schuldiger für die Klimakrise herhalten müssen. Die europäischen Bäuerinnen und Bauern sind nicht das Problem – sie können im Gegenteil einen wichtigen und wertvollen Beitrag zur Lösung darstellen.
Zugegeben: In vielen Punkten sind die Ansätze des Green Deal in Hinblick auf die Landwirtschaft unausgewogen und nicht ganz ausgegoren. Sich reflexartig beleidigt zurückzuziehen und jeden Lösungsvorschlag pauschal abzulehnen und zu zerpflücken, trägt nichts zur Lösung des eigentlichen Problems bei und bringt uns in eine denkbar ungünstige Verhandlungsposition.
Denn von einem gehe ich ohne jeden Zweifel aus: Die Maßnahmen auf Europäischer Ebene werden kommen, und sie werden auch umgesetzt. Die einzige Frage wird sein: Sitzen die Landwirte und Landwirtinnen bei der Suche nach neuen Regelungen mit am Tisch, oder sitzen sie gekränkt in ihrem Winkerl? Wer wird unsere Interessen in diesem Prozess wahren, wenn wir es nicht tun?
Hier finde ich es weit sinnvoller, die Landwirte von Anfang an mit am Tisch zu haben, unser europäisches und durchaus auch internationales Hirnschmalz einzusetzen und bereits jetzt an den besten Zukunftszenarien im vorgegebenen Rahmen zu arbeiten.
Die Bäuerinnen und Bauern brauchen eine Perspektive, auch einkommensseitig. Gemeinsam müssen wir unter größter Transparenz in der Produktion Umwelt- und Klimaverträglichkeit durchsetzen. Dabei dürfen wir aus meiner Sicht auch keine Scheu haben, technologischen Fortschritt ebenfalls als Lösungsweg zu akzeptieren. Die Landmaschinenhersteller und die vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche sind hier nämlich bereits mit tollen Lösungen am Start. Zurück zum romantisierenden Betrieb, auf dem der Bauer zwei Schweine und zwei Hühner hält, wird es nämlich auch mit dem Green Deal nicht geben. Der europäische Landwirt und die europäische Landwirtin bewirtschaften jeweils ein modernes Unternehmen, sind mit bester fachlicher Kompetenz ausgestattet und werden zukünftig noch mehr über die Lebensmittelproduktion hinausgehende Leistungen für alle Europäerinnen und Europäer erfüllen müssen.
Treten wir in die Diskussion, setzen wir uns zusammen und schauen wir, wie wir uns einbringen können, wie wir den Agrarsektor im Rahmen der Rahmenbedingungen des Green Deal voranbringen können. Seien wir mutig, stellen wir uns den Herausforderungen, gehen wir die Sache aktiv an.